Aceton

So geht's ohne Aceton
So geht's ohne Aceton

 

Bevor die Repair-Cafes ein bescheidenes Signal gegen die Wegwerfmentalität setzten, gehörten die meisten traditionellen Optiker zu jenen Handwerkern, die ihre Ehre darein setzten, die von ihnen verkauften Brillen im Bedarfsfall zu reparieren. Deshalb war ein Großteil meiner Lehrlingszeit mit dem „Kitten“ von zerbrochenen Brillenfassungen ausgefüllt. Die aus Celluloseacetat bestehenden Brillen verlieren mit der Zeit die Weichmacher und brechen dann leicht, oft genau in der Mitte. Und Kitten bedeutete in diesen Fällen dann, die Brillen wieder „heile“ zu machen, wie die Leute oft sagten, wenn sie mit den „Bruch-Teilen“ in der Hand in den Laden kamen.

 

Ich musste zunächst schauen, ob die Bruchstellen pässig waren, arbeitete gegebenenfalls nach und tunkte die Ränder der Bruchstellen dann in ein kleines Töpfchen mit Aceton. Mithilfe dieser Chemikalie wird das Material angelöst und, wenn es weich genug ist, mit sanftem, stetigem Druck wieder verbunden. Damit ich genau sah, wie weit der Kunststoff schon reagiert hatte, stellte ich meinen Drehhocker immer tief ein, um auf Augenhöhe mit dem Material zu sein.

 

Jahre später lernte ich in der Meisterschule, dass Aceton nicht nur schnell verdunstet und leicht entzündlich ist, sondern in höheren Dosen stark narkotisch wirkt. Schlagartig war mir zweierlei klar: Ich wollte offensichtlich weniger auf Augen- als auf Nasenhöhe sein und: Dank Aceton hatten wir „Stifte“ unsere Ausbildung überstanden – immer leicht zugedröhnt.

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Anton Marian (Donnerstag, 26 September 2019 12:04)

    Eine feine Alternative zu Jugendalkoholismus. Spätschäden?

  • #2

    Marita Meye (Freitag, 27 September 2019 21:02)

    ... also, ich konnte bisher keine Spätschäden feststellen...